Kürzlich traf ich einen Freund und ehemaligen Teamkollegen aus Radrennfahrerzeiten. Auf die Frage, wie es ihm denn gehe, antwortete er bedeutungsschwer:

„Nicht gut. Ich fühle mich so alt wie ich bin.“

Eigentlich sah er ja ganz normal aus. Ein Mann mittleren Alters, leicht ergraute Haare hier und da, …

Gut, das war kein Vergleich zu früher, als wir beide noch Radrennfahrer waren: Erwachsene Männer die sich in bunten Klamotten kleideten, Anzug, Bürostuhl und Meetingraum verweigerten. Stattdessen fuhren wir den ganzen Tag Fahrrad. Das war nicht gerade altersgemäß – die meisten Schulfreunde wurden seriös und begannen ein geregeltes Arbeitsleben. Wir tingelten von Startlinie zu Startlinie, hatten brutale Bräunungsstreifen – und waren brutal in Form.

Natürlich hatte diese Zeit irgendwann ein Ende. Mein Freund, der Bergfahrer und Etappensieger steht jetzt morgens auf, bringt die Kinder zur Schule und fährt dann in’s Büro. Altersgemäßes Verhalten also.

Damit hadert er nicht, erklärt er mir. Was ihm zu schaffen macht ist vielmehr, daß auch sein Körper sich altersgemäß verhält. So ist es nun mal: jeder Mensch altert und spürt das was man ganz drastisch als „altersbedingten Verfall“ bezeichnen könnte, manche früher, manche später. Manche mehr, manche weniger.

Wir können diesen Prozess nicht wirklich aufhalten. Aber eines können wir sehr wohl: wir können Einfluss darauf nehmen, wie schnell und in welchem Maße wir altern – und das ganz gewaltig.

In jungen Jahren, wenn der Körper noch frisch und scheinbar unermüdlich ist, kann man zu dem Eindruck gelangen, über endlose Reserven zu verfügen. Natürlich ist das nicht so. Alleine die Tatsache, dass wir ja nicht über endlos viel Lebenszeit verfügen, sollte uns zu denken geben. Warum sollten wir diese also auch noch unnötig verkürzen? Und damit ist gar nicht die Entscheidung gemeint, gewisse legale oder illegale Substanzen dem Körper zuzuführen, oder sich ein übermotorisiertes Zweirad anzuschaffen mit dem man anschliessend die Grenzen der Physik auf kurvigen Landstrassen herausfordert…

Über die Jahre hört, respektive verwendet man so manchen Spruch, der lapidar hingeworfen, doch nichts weiter ist, als die Rechtfertigung eines unreflektierten Lebensstils. Strenge Worte? Womöglich – aber gut gemeint…

„Einmal ist keinmal.“ oder gar „Was uns nicht umbringt, macht uns härter.“

Es sind gerade die schleichenden Prozesse, die so tückisch sind, eben weil man sich ihrer gar nicht bewusst ist. So ist es nicht die erste Zigarette, die uns umbringt. Nicht die eine Tüte Chips, der eine Hamburger, das eine Glas Wein… Über die Jahre oder gar Jahrzehnte jedoch kommt so eine ganze Menge zusammen. Jeder, der das Alter mit der Vier vorne erreicht hat, weiss – ab jetzt wird zurückgezahlt. So oder so. Wer seinem Körper langfristig und beständig eine gesunde Ernährung zuteil werden hat lassen, der profitiert nun so richtig. Andersherum rächt sich bei so manchem nun der unbedachte Lebensstil. Übergewicht, Dauermüdigkeit, Kurzatmigkeit im Treppenhaus sind da nur die Spitze des Eisberges…

Wohl keinem würde es einfallen, ein Haus aus maroden, bröckelnden Steinen zu bauen, mit billigem Mörtel und morschen Balken… Wir sollten unseren Körper so betrachten – wie ein Haus, in dem wir leben. Und unsere Ernährung als dessen Bausteine – nicht nur als Energiequelle! Dieses Zitat würden wir Lebensnavigatoren nämlich so unterschreiben: „DU BIST WAS DU ISST.“

„Man sollte den Körper nicht so verwöhnen.“

Echt jetzt? Wieviele haben wir denn noch in der Garage? Wie leicht ist denn die Reparatur von Verschleiß und Verbrauch? In einer Welt, wo wir in immer kürzeren Abständen unsere elektronischen Geräte wegwerfen und ersetzen, wo Firmenwagen im Jahresrythmus ausgetauscht werden, wo alles immer und innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung steht – in diesem Umfeld vergißt man leicht mal, daß der eigene Körper ein ziemlich einmaliger ist. Daß auch Amazon Prime uns keinen neuen über Nacht an die Haustüre liefert. Daß der Ersatz von Bauteilen wie Gelenken oder sogar Organen heutzutage zwar gewiss möglich aber ganz sicher nicht angenehm oder ohne Risiken ist.

Es ist wie das erste Gebot der gesunden Lebensführung: Du hast nur einen Körper. Komm‘ damit aus.

„Schlaf wird überbewertet“

Was halb scherzhaft, halb heroisierend gemeint sein mag, ist in Wahrheit falsch und womöglich folgenreich und fatal. Im Schlaf findet der Körper endlich Zeit, notwendige kleine Reparaturen vorzunehmen, die Zellen zu entgiften, bei den Anstrengungen des Tages angefallene Stoffwechselprodukte zu verarbeiten, Muskeln aufzubauen,… Leistungssportler wissen: Nicht während des Trainings werde ich stärker, sondern in der Pause danach. Aber auch Nichtsportler kennen aus eigener Erfahrung die Auswirkungen von Schlafmangel. Schon eine durchwachte Nacht bei einem Interkontinentalflug und der berüchtigte Jetlag danach führen uns eigentlich deutlich vor Augen, daß das nächtliche Schlafen wohl nicht nur dem Stromsparen dienen kann. Nicht minder benötigt das Gehirn diese Ruhephase, um die Eindrücke des Tages zu verarbeiten, zu sortieren und einzuordnen. Nicht zuletzt schwächt Schlafmangel ganz dramatisch das Immunsystem – Infektanfälligkeit und häufiges Kranksein würde man wohl nicht mehr als „überbewertet“ abtun…

In einer Umwelt, die mehr und mehr und immer schneller in Bewegung ist, ist die Ruhepause umso wichtiger. Ausreichend Schlaf ist kein Luxus – sondern ein elementarer Baustein für geistige und körperliche Gesundheit und Wohlbefinden.

„Dafür fehlt mir die Zeit.“

Der schlimmste Spruch zuletzt. Ob Sport nach der Arbeit, ein täglicher Spaziergang an der frischen Luft, gesunde Ernährung statt Fertigessen… Mit dem Totschläger „Zeitmangel“ kann man eigentlich alles abwehren. Gute Vorsätze, ermahnende Worte, wohlmeinende Ratschläge. Wie soll man auch etwas für sich selber tun, wenn man doch schlicht keine Zeit hat. Wie soll man seinem Körper und Geist Nährstoffe, Erholung oder Bewegung zukommen lassen, wo doch die Zeit einfach nicht reicht? Man sollte meinen, manchen „Zeitgenossen“ stehen nicht die üblichen 24 Stunden zur Verfügung…

Am Ende steht aber leider allzuoft die Lehre: wer sich keine Zeit für sich selber nimmt, der hat am Ende einfach weniger Zeit – zum Leben. Klingt drastisch und ist es auch – jedoch beinhaltet es ja auch die grundweg positive Botschaft: nimm‘ Dir Zeit für dich selbst, und du hast nicht nur mehr davon – Du hast auch MEHR davon.

All das, um zu sagen: Altern ist ein Teil des Lebens – aber das heisst nicht, daß wir tatenlos zusehen oder gar noch nachhelfen müssen.

Wir sind nur so alt, wie wir uns fühlen,

aber das heisst nicht,

daß wir uns so alt fühlen müssen wie wir sind…