Vor ungefähr 2500 Jahren besiedelten die ersten Menschen die Insel La Palma. Die „Benahoaritas“ müssen über das Meer angereist sein, denn Flugzeuge landen erst seit 1921 auf der Insel. Und 400 vor Chr. war Luftverkehr ja ganz allgemein noch nicht sehr verbreitet…

Bis heute ist vieles unklar, was die kanarischen Ureinwohner betrifft – das fängt bei Ihrer Herkunft an. Die wohl plausibelste Theorie ist, daß sie in Nordafrika in See stachen. Weil Erzählungen der vor grade mal 500 Jahren angelandeten Spanier sie als blond und hellhäutig beschreiben, wird von manchen Wissenschaftlern diskutiert, ob sie womöglich aus Europa über Jahrhunderte bis nach Afrika gewandert waren, bevor sie Boote bauten und Kurs auf die Vulkane nahmen.

Wie dem auch sei – als ich die nachgebauten Steinhütten im historischen Museum von Los Llanos vor mir hatte und die eindrucksvollen Höhlenbehausungen der Cueva Belmaco besichtigte, stellte sich mir die Frage: Was waren das eigentlich für Typen, die sich vor über 2000 Jahren in vermutlich recht rudimentären Wasserfahrzeugen auf den Ozean wagten, und immerhin 400 Kilometer zurücklegten, um Inseln zu erreichen, die sie ja vom Festland gar nicht hatten sehen können?

Inseln auf denen weder Hütten noch Wege vorhanden waren, Inseln die aus scharfkantigem Vulkangestein bestanden, und wo schon die simple Fortbewegung eine echte Herausforderung gewesen sein muß…

Es müssen ganz schön entschlossene Menschen gewesen sein. Mutige, unerschrockene Charaktere vielleicht. Oder waren sie etwa auf der Flucht? Hatten sie vom afrikanischen Klima genug oder ging ihnen die dortige Politik auf die Nerven? Schmeckte ihnen das Essen nicht? Langweilte sie ihre Arbeit als Kameltreiber oder Hufschmied? Die Motivation der kanarischen Ureinwohner werden wir wohl nie wirklich kennen.

Aber wir können von ihnen lernen!

Das waren Menschen, die sich ihre Schlafhöhlen mit Piniennadeln polsterten, die vom Meer ausgespülte Hohlräume in Lavabergen zu ihrem Haus gestalteten. Ohne Fähre, ohne Internet, ohne Bankkonto. Hab und Gut wurde in’s Boot geladen, und dann wurde 400km über den Ozean navigiert, ohne Sonar oder Seekarte. Auf der Suche nach einem neuen Lebensraum.

Wie beschwerlich und gefährlich muss dieser Umzug gewesen sein. Von der Ungewissheit ganz zu schweigen.

In Zeiten von Immobilienscout, Möbelspeditionen und doppelter Lebenserwartung sollte es uns eigentlich leichter fallen, einfach mal neu anzufangen. Welcher Mittvierziger hat sich nicht schon mal gefragt – wie wäre es, jetzt noch einmal zwanzig zu sein? Neu anfangen, noch einmal die offene See vor sich haben – mit all ihren Unwägbarkeiten, ja sicher – aber auch mit all ihren Möglichkeiten!

Es fällt uns schwer, den Status Quo über Bord zu werfen, die Anker zu lichten, und den ach so bekannten Hafen zu verlassen. Schwer wiegen die Argumente gegen das Auslaufen aus dem etablierten Leben, auch wenn uns dieses womöglich nicht mehr inspiriert, oder nicht mal mehr amüsiert. So schwer mitunter, dass der Kiel unseres Schiffes im Hafenboden feststeckt! Finanzielle Verpflichtungen, Mietverträge und Gewohnheiten…Und überhaupt – in unserem Alter noch einmal anzufangen… Und erst die Packerei! „Besitz belastet,“ sagte mein Vater mir schon als ich noch ein Kind war. Heute verstehe ich was damit gemeint war. Klar, wer vier Wochen braucht, um seine Siebensachen überhaupt in Kartons zu verstauen, den muß ja schon die körperliche Anstrengung abschrecken… Aber man muß auch nicht gleich umziehen, oder gar ein Boot bauen…

Vielleicht ist es einfach Zeit, nochmal einen neuen Beruf in Angriff zu nehmen, etwas Neues zu lernen, ganz andere Leute kennen zu lernen. Eine neue Höhle mit Piniennadeln auszulegen. Denn:

Das Leben ist zu lang um nicht immer wieder Neues auszuprobieren.

und…

Das Leben ist zu kurz um nicht immer wieder Neues auszuprobieren!

Deshalb: Keine Angst vor dem Unbekannten, es ist gut möglich, von deiner neuen Schlafhöhle aus siehst du jeden Morgen die Sonne hinter dem gegenüberliegenden Vulkan aufgehen, und hörst dazu das Meeresrauschen.

Leinen los, wir stechen in See!